Montag, 24. Februar 2014

Live-Bericht aus Kiew: Terroristen übernehmen die Regie

Live-Bericht aus Kiew - im Magazin COMPACT (Online-Ausgabe)
Ein COMPACT-Leser hat an 22.2.14 folgenden topaktuellen Bericht über die Lage geschickt.



Also bis Dienstag morgen dachte man ja, es käme nach diesem ausgehandelten Kompromiss, (Freilassung von Inhaftierten Gewalttätern und Abbau einiger Barrikaden) etwas zur Ruhe.
Wie von einigen vorrausgesehen führte das aber lediglich zu weiteren Eskalationen.

 
Es wurde dann umstandslos das Parteibüro der Regionen in Brand gesetzt, wobei 2 Mitarbeiter dort von den Demonstranten getötet wurden. Dann wurde auch noch versucht das Regierungsviertel zu stürmen.


Hierbei wurden seitens der “Regierungsgegner” erstmals Schusswaffen eingesetzt. Die Sicherheitsbehörden setzten dann ein Ultimatum bis 18.00 Uhr die Gewalt einzustellen.
Ausserdem wurde eine Antiterrororganisation eingeleitet, was sozusagen der Verhängung eines Ausnahmezustands gleichkam.


Ausserdem wurde die Metro stillgelegt und die Leute verliessen in Scharen ihre Arbeit im Zentrum. Dies grösstenteils zu Fuss.


Ich selbst bin am Abend dann auch ca. 4 Km zu Fuss gelaufen, bis ich mit Glück das erste Taxi erwischte.


Also ich kann sagen, die Leute sind langsam sehr ernüchtert von dieser Art Protest.
Dann wurde das Lager am Maidan zurückgedrängt und mehrere Barrikaden gestürmt.
Hierbei wurde sehr halbherzig seitens der Sicherheitskräfte vorgegangen. Warum diese Aktion dann auf halbem Weg abgebrochen wurde ist mir vollkommen unklar.


Dann war wieder etwas Ruhe. Der Maidan sah aus wie ein Schlachtfeld, und das Grosse Gewerkschaftshaus brannte noch am nächsten morgen.
Gestern sah dann zunächst wieder alles eher ruhig aus, jedoch haben sich dann etwas unübersichtliche Erreignisse zugetragen.


Am Morgen sah man eine erhebliche schwarze Rauchentwicklung als eine grössere Milizeinheit vor dem Globus-Einkaufszentrum abgelöst wurde. Dadurch war das Sichtfeld erheblich eingeschränkt.
Dann stürmten paramilitärische Einheiten der Regierungsgegner in das Durcheinander falscherum ausgerichteter und sich gegenseitig blokierender Wasserwerfer abziehender und anrückender Milizeinheiten.


Dazu wurde mindestens ein Polizist von Paramilitärs der Regierungsgegner erschossen und über 60 Polizisten gefangengenommen. Weitere Polizisten befanden sich in aussichtsloser Lage und drohten von Regierungsgegnern abgeschnitten zu werden. Die Polizeieinheiten drohten sich aufzulösen. Vereinzelt wurde die Flucht angetreten.


In dieser Situation eröffnete eine Sondereinheit des Innenministerium/Miliz, (Vermutlich Alpha) mit Scharfschützengewehren und Kalaschnikovs gezielt das Feuer auf die Paramilitärs der Regierungsgegner, welche im Begriff waren das Regierungsviertel zu stürmen. Das Parlament wurde evakuiert.


Zu dieser Zeit entbrannte auch ungefähr ein Schusswechsel zwischen Milizeinheiten und Diversanten, welche in das Hotel Ukraina vorgedrungen waren, wo sich fast ausschliesslich Journalisten befanden und von dortaus begannen, aus exponierter Lage die Miliz zu beschiessen.
Das es hierbei nicht mehr Tote gab, grenzt für mich an ein Wunder. Mann geht nunmehr von 60-200 Toten aus und mindestens tausend Verletzten. Davon viele (auch sehr viele Polizisten) mit Schussverletzungen.


Anschliessend wurden wieder Barrikaden, teilweise aus Backsteinen erichtet, welche jetzt praktisch militärischen Charakter haben und zahlreiche Feuer entzündet. Danach war jedem klar, dass hier ein Bürgerkrieg begonnen hat.


Die Leute flohen in Scharen erneut aus dem Zentrum, weg vom Maidan und nicht etwa in entgegengesetzete Richtung, zur Unterstützung der “Opposition”.
Es gab Kilometerlange Schlangen vor Tankstellen. Die Bevölkerung begann Lebensmittel zu Bunkern.
Die Supermärkte leeren sich.


Ganz allgemein kann man sagen, dass sich der Charakter der Proteste verändert hat. Während früher viele Liberale und einige 10-100 Tausende auf dem Maidan waren, sieht man dort jetzt praktisch nur noch wesentlich unter 5000 Paramilitärisch organisiert, gekleidet und bewaffnete Einheiten. Augenscheinlich sind diese besser ausgerüstet als die Ordnungskräfte. “Normale” regierungskritische Demonstranten sind dort nicht mehr anzutreffen.


Diese Einheiten bestehen der Symbolik und den Parolen nach fast ausschliesslich aus dem “Rechten Sektor” und anderen faschistischen Gruppierungen. Auffällig ist vor allem, das diese Einheiten sehr gut geführt werden und sehr schlagkräftig sind. Mann hat es sogar geschafft, Vorstösse mit Schützenpanzern abzuschlagen und dabei einen zu vernichten. Im Fernsehen habe ich gestern auch 2 in Stellung gegangene Pak-Geschütze auf Seiten der Regierungsgegner gesehen. Die Ordnungskräffte machen dagegen einen desorganisierten und passiven Eindruck.


Gestern abend wurde der Ausnahmezustand dann beendet, wobei man aber nur noch ca. die Hälfte der Abgeordneten zusammenbekam. Die Regierungsabgeordneten werden massiv unter Druck gesetzt und fliehen scheinbar. Die Regierung versucht erneut zu deeskallieren obwohl das erkennbar die falsche Taktik ist. Auf jeden Deeskalationsversuch wird mit weiterer verschärfter Eskallation geantwortet.


Gestern habe ich Klitschko gesehen, als er die Dt. Botschaft wieder einmal verlies. (Seine Residenz liegt genau gegenüber) War ein Bild für Götter dieser 2 Meter Mann mit grosen Schritten, im Gefolge der üble Bildreporter Ronzheimer im Laufschritt mit Schwierigkeiten ihm zu folgen hinterher. Dachte schon, dieser Schmierfink rutscht auf seiner eigenen Schleimspur aus.


Die üblichen grünen Heulbojen wie Rebecca Harms usw. sind auch schon hier und verbreiten mit Hilfe der Botschaft und Stifftungen ihre Gutmenschen Kriegsrethorik, welche wir ja alle noch aus Jugoslawien und allen anderen westlichen Interventionsschauplätzen kennen.
Wenn man die Reaktionen der deutschen Medien und Politik so sieht, denke ich wirklich sie berichten über etwas anderes als das was ich hier vor Ort sehe.


Was ich schon vorher befürchtet und auch hier früher geschrieben hatte, ist leider jetzt vollumfänglich eingetreten. Die Faschisten, oder was auch immer das ist, haben den Protest sozusagen an sich gerissen und werden die Initiative wohl nicht mehr abgeben. Sie greifen zu jedem Mittel. Menschenleben zählen hier gar nichts.


Die parlamentarische Opposition wie Jatseniuk oder Klitschko haben darüber nicht die geringste Kontrolle.


Das diese Vorgänge aufhören, wenn Janukovich zurücktreten würde, halte ich für vollkommen ausgeschlossen. Die politischen Forderungen des Rechten Sektors sind praktisch jeden Tag andere und wirken vorgeschoben. Für mich wirken die instrumentalisiert und errinnern mich an radikale Islamisten, wie man sie aus Libyen oder Syrien kennt, die lassen sich auch abknallen, wie fanatisierte Selbstmordattentäter.


Wenn man sich einmal mit diesen “Regimewechseln” des letzten Jahrzehnts ansieht, sind die Parallelen augenscheinlich.


Denke, wenn man dem nicht schnellstens Einhalt gebietet, werden die Toten unendlich mehr werden, wie lange das weitergeht wird nicht absehbar sein. Halte es auch nicht für ausgeschlossen, dass sie zum Mittel des Terrorismus greifen, wenn sie, was ziemlich sicher ist, offen den Rückhalt der Regierungsgegner verlieren. Was man jetzt durchaus beobachten kann.


Das denkbar schlimmste jedoch wäre, wenn diese Leute an die Macht kommen oder eine starke Kraft in der Ukraine werden.


Denke dann wird sich sogar Klitschko einen Präsidenten Janukovich zurückwünschen. Von der einfachen Bevölkerung ganz zu schweigen.


Grüsse aus Kiew.

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