Dienstag, 30. Juni 2015

Griechenland: Tsipras Rede an das Griechische Volk am 27. Juni 2015: "Auf Autoritarismus und brutale Austerität werden wir, ruhig und bestimmt, mit Demokratie antworten."

Das Putin-Bashing ist jetzt in den Leidmedien nahtlos in das Tsipras-Bashing übergegangen, nachdem er nicht bereit war, Dokumente der EU für die weitere Erpressung zu unterschreiben.Es ist ekelhaft, wie die Hauptaktivitäten der Obrigkeiten darin besteht, einen auf zu Moral machen gleichzeitig andere Länder bis zum Ausbluten und in die Pfanne zu hauen.

Dieses neuerliche Angebot der EU an Griechenland ist natürlich nichts anderes als Strategie, um nochmal unter Pseudoheiligenschein ihr Gutmenschentum zu unterstreichen... und somit natürlich die öffentliche Meinung hinter sich zu holen, ....

Nach aller Anti-Tsipras-Propaganda, die nun getriggert wurde, würde ein Tsipras so blöd sein, diesen nur notdürftig in Schafspelze gehüllten Reißwölfen irgendwelche Zugeständnisse zu machen, die sein eigenes Volk an den Bettelstab bringen?

Doch leider sieht es derzeit so aus, als ob Tsipras zum Volksverräter mutiert, denn er ergibt sich wiederstandlsos den Forderungen der Geld-Oligarchen  in der EU und in Griechenland. 

Es ist nun interessant was Tsipras mal sagte, als er noch aufrecht ging. Oder war es nur populistische Volksverdummung?

Deshalb bringen wir hier die nächtliche Fernsehrede von Alexis Tsipras vom 27. Juni 2015.

Titel:  “Die Griechische Bevölkerung soll entscheiden” (deutsche Übersetzung)
In seiner Rede kündigte er ein Referendum über die “Reformforderungen” der Troika an.

Der Text wurde von Stathis Kouvelakis vom Griechischen ins Englische übersetzt und von der Redaktion des österreichischen Blogs “Mosaik – Politik neu zusammensetzen” aus dem Englischen ins Deutsche übertragen. Die englische Version der Tsipras-Rede findet man hier, und hier noch eine weitere Übersetzung der Rede direkt aus dem Griechischen ins Deutsche.
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Liebe Griechen und Griechinnen,
seit sechs Monaten kämpft die griechische Regierung darum, unter den Bedingungen eines beispiellosen wirtschaftlichen Würgegriffs, das Mandat umzusetzen, das ihr uns gegeben habt.

Ihr habt uns den Auftrag gegeben, in Verhandlungen mit unseren europäischen Partnern die Austeritätspolitik zu beenden, damit Wohlstand und soziale Gerechtigkeit in unser Land zurückkehren können. Es war ein Mandat für ein nachhaltiges Abkommen, das sowohl unsere Demokratie als auch die gemeinsamen europäischen Regeln respektiert, und das es uns endlich ermöglicht, die Krise zu überwinden.

Während der gesamten Phase der Verhandlungen wurde von uns verlangt, dass wir das von der letzten Regierung akzeptierte Memorandum umsetzen sollen, obwohl dieses von den Griechinnen und Griechen bei den letzen Wahlen kategorisch abgelehnt worden war.

Doch nicht eine Minute lang haben wir daran gedacht, uns zu unterwerfen und euer Vertrauen zu verraten. Nach fünf Monaten harter Verhandlungen haben unsere PartnerInnen vorgestern schließlich ein Ultimatum an die griechische Demokratie und die Menschen in Griechenland gerichtet. Ein Ultimatum, welches den Grundwerten Europas, den Werten unseres gemeinsamen europäischen Projekts widerspricht.

Sie haben von der griechischen Regierung verlangt, einen Vorschlag zu akzeptieren, der weitere untragbare Lasten für das griechische Volk bedeuten und die Erholung der griechischen Wirtschaft und Gesellschaft untergraben würde. Dieser Vorschlag würde nicht nur den Zustand der Unsicherheit auf Dauer stellen, sondern auch die soziale Ungleichheit verfestigen.

Der Vorschlag der Institutionen umfasst Maßnahmen zur weiteren Deregulierung des Arbeitsmarktes, Pensionskürzungen, weitere Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst und eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel sowie in den Bereichen Gastronomie und Tourismus. Schließlich zählt dazu auch die Abschaffung der Steuererleichterungen für die griechischen Inseln.

Diese Forderungen verletzen unmittelbar die europäischen Sozial- und Grundrechte. Sie zeigen, dass einige unserer PartnerInnen nicht ein für alle Seiten tragfähiges und vorteilhaftes Abkommen für Arbeit, Gleichheit und Würde anstreben – sondern die Erniedrigung des gesamten griechischen Volks.

Ihre Forderungen zeigen vor allem, dass der Internationale Währungsfonds auf einer harten, bestrafenden Kürzungspolitik beharrt. Sie zeigen zugleich, dass die führenden europäischen Kräfte endlich die Initiative ergreifen müssen, um die griechische Schuldenkrise ein für alle Mal zu beenden. Diese Krise betrifft auch andere europäische Länder und bedroht die Zukunft der europäischen Integration.

Liebe Griechen und Griechinnen,
die Kämpfe und Opfer des griechischen Volks für die Wiederherstellung von Demokratie und nationaler Souveränität lasten als historische Verantwortung auf unseren Schultern. Es ist die Verantwortung für die Zukunft unseres Landes, und diese verlangt von uns, auf das Ultimatum der PartnerInnen mit dem souveränen Willen des griechischen Volkes zu antworten.

Vor wenigen Minuten habe ich in der Kabinettssitzung den Vorschlag gemacht, ein Referendum abzuhalten, damit die Griechen und Griechinnen souverän entscheiden können. Dieser Vorschlag wurde einstimmig angenommen. Morgen wird das Parlament zu einer Sondersitzung zusammentreten, um über den Vorschlag des Kabinetts und ein Referendum am Sonntag, dem 5. Juli, abzustimmen. 

Die Griechen und Griechinnen sollen entscheiden können, ob sie die Forderungen der Institutionen annehmen oder ablehnen.

Ich habe bereits den Präsidenten Frankreichs, die Kanzlerin Deutschlands und den Präsidenten der Europäischen Zentralbank über diesen Schritt informiert. Morgen werde ich offiziell darum ansuchen, das laufende Programm um einige Tage zu verlängern, damit das griechische Volk frei von Erpressung und Druck abstimmen kann, wie es der Verfassung unseres Landes und der demokratischen Tradition Europas entspricht.

Liebe Griechen und Griechinnen,
ich bitte euch, auf das erpresserische Ultimatum, welches von uns harte, entwürdigende und endlose Austerität ohne Aussicht auf soziale und wirtschaftliche Erholung verlangt, auf souveräne und stolze Weise zu antworten – so wie es die Geschichte des griechischen Volks verlangt.

Auf Autoritarismus und brutale Austerität werden wir, ruhig und bestimmt, mit Demokratie antworten. Griechenland, der Geburtsort der Demokratie, wird eine demokratische Antwort geben, die in Europa und der Welt widerhallen wird. Ich verpflichte mich persönlich, eure demokratische Wahl zu respektieren, wie immer sie ausfallen wird.

Und ich bin vollkommen überzeugt davon, dass eure Wahl der Geschichte unseres Landes gerecht werden und der Welt eine Botschaft der Würde senden wird. Wir alle müssen uns in diesen entscheidenden Momenten vor Augen halten, dass Europa die gemeinsame Heimat unserer Völker ist. Doch ohne Demokratie wird Europa ein Europa ohne Identität und Orientierung sein.

Ich lade euch alle ein, in nationaler Eintracht und Ruhe, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Für uns, für zukünftige Generationen, für die Geschichte der Griechinnen und Griechen. Für die Souveränität und Würde unseres Volks.

Alexis Tsipras
Athen, am 27. Juni, 1 Uhr morgens.
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Tsipras schrieb auch einen offenen Brief an die Deutschen. Er wurde von Alexis Tsipras via Syriza.net authorisiert und bei Epoche Times veröffentlicht.

„Was Ihnen bisher nie über Griechenland gesagt wurde“ 

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Wie sich das Drama und der damit verbundene Machtkampf in Griechenland derzeit aufschaukelt und sich auch hierzulande auswirken wird, zeigen diese drei Artikel bei Kopp:

Die Rolle des griechischen Militärs:

Bürgerkrieg, Militärputsch und Flüchtlingsströme:

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